Was Schweizer Garagisten vom Agenturmodell halten

Heisses Eisen

Was Schweizer Garagisten vom Agenturmodell halten

19. Juli 2021 agvs-upsa.ch – Was erwarten Schweizer Garagisten vom Vertriebsmodell, das verschiedene Hersteller einführen wollen? Wo sehen sie Gefahren, wo Chancen? Eine gänzlich unrepräsentative Umfrage.
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Quelle: AGVS-Medien / Istock
Andri Zisler (Vizepräsident AGVS-Markenkommission)

«Als ehemaliger BMW-Markenhändler bin ich mit dem Agenturmodell schon länger vertraut. Als 2013 die elektrischen Modelle i3 und i8 auf den Markt kamen, wurden sie in diesem Modell vertrieben. BMW stellte uns die Fahrzeuge in den Showroom, wir hatten kein Kapital gebunden und der Kaufvertrag lief über BMW. Aber: Für die Ladeinfrastruktur und auch für Gestaltung der BMW-i-Markenwelt mussten wir Garagisten aufkommen. Es war also lediglich eine Art verkapptes Agenturmodell. 

Auch die Modelle, die jetzt diskutiert werden, sind keine echten Agenturmodelle. Da muss man als Garagist höllisch aufpassen. In einem echten Agenturmodell übernimmt der Hersteller sämtliche Investitionen und trägt das Risiko. Der Agent erhält eine Vergütung für alle Dienstleistungen, die er erbringt: Leads, Probefahrten, Offerten, Aufbereitung und Auslieferung. In einem solchen Fall kann ein Agenturmodell durchaus funktionieren. Aber es müssen sämtliche Parameter erfüllt sein: Vor allem darf der Agent keinerlei Abnahmeverpflichtungen eingehen. Denn er bestimmt nicht mehr über die Preise – die legt der Hersteller fest. Es ist ein Abwägen zwischen Freiheit und Risiko: Auf der einen Seite verliert man als Agent seine unternehmerische Freiheit. Im Gegenzug reduziert man aber auch sein unternehmerisches Risiko.

Hubert Waeber (Inhaber AHG Cars Holding, Villars-sur-Glâne)

«Ich bin kein Freund des Agenturmodells. Die Absicht der Hersteller ist zu eindeutig: Sie wollen mehr Marge für sich. Natürlich verpacken sie diese Intention in schöne Worte und sprechen von weniger Lagerfahrzeugen, die wir Garagisten finanzieren müssen, von weniger Risiko für uns etc. Aber im Agenturmodell begeben wir uns in eine totale Abhängigkeit von den Herstellern. 

In einem KMU kennen wir unsere Kunden persönlich. Diese Kunden wollen den Kaufvertrag mit uns abschliessen, nicht mit einem anonymen Hersteller. Und wie soll man im Agenturmodell ein Gegengeschäft mit einem gewerblichen Kunden machen? Die Hersteller suchen nach Wegen, möglichst viel Marge selbst zu behalten. Gleich­zeitig statten sie uns mit 2-Jahres-Verträgen aus und zwingen uns zu Investitionen, die viel längerfristig sind: 100 000 Franken für ein neues CI/CD, nur weil es einem Manager irgendwo so gefällt. Oder Schulungen, die wir zwingend absolvieren müssen. Am Ende geht es nicht mehr auf.

Natürlich sagt man uns, wir hätten ja noch das Werkstattgeschäft. Aber hier versprechen die Hersteller langjährige Garantien mit Gratis-Service. Die Stundentarife dieses Servicegeschäfts bestimmt der Hersteller, bei dem ich auch die Ersatzteile bestellen muss. Wenn das so kommt, dann bin ich lieber nicht mehr Markenhändler, sondern importiere links und rechts, was der Kunde wünscht. Dafür muss ich keine Herstellerstandards mehr erfüllen.

Thomas Kestenholz (Verwaltungsrat Kestenholz Gruppe, Pratteln)

«Mit unseren Betrieben in Deutschland verkaufen wir seit vielen Jahren Fahrzeuge von Mercedes-Benz in einem sogenannt unechten Agenturmodell. Für uns hat das Modell durchaus Vorteile: Wir haben weniger Kapital gebunden, weil die Bestandsfahrzeuge von Mercedes-Benz gestellt werden. Zudem haben wir direkten Zugriff auf 10 000 bis 15 000 Mercedes-Fahrzeuge. In diesem unechten Agenturmodell gestalten wir die Preise selbst und auch der Eintausch läuft über uns. Wir haben durchs Band gute Erfahrungen gemacht, wobei die Unterschiede zwischen diesem Modell und dem Händlermodell in der Schweiz nicht wirklich gross sind.

Ich masse mir nicht an, ein Urteil zu fällen, welches System nun das bessere sei. Agenturmodell und Markenhandel haben beide ihre Vor- und Nachteile. Letztlich steht und fällt jedes Vertriebsmodell mit den Rahmenbedingungen.»

Agim Roci (Autocenter Effretikon, Inglin & Roci AG)

«Unser Importeur Amag hat uns mitgeteilt, dass die Entwicklung in Richtung Agenturmodell gehen wird. Ich treffe mich in den nächsten Wochen mit unserem Unternehmensberater, um die Perspektiven für die nächsten zehn Jahre zu analysieren und Pläne zu definieren. Das Agenturmodell wird ganz sicher ein Thema sein. Will ich wirklich nur noch Agent sein und von Provisionen für Leads, Probefahrten, Offerten und Auslieferungen leben? Und dabei bei jedem Schritt vom Hersteller getrackt werden? Wenn unser Hersteller tatsächlich ein Agenturmodell in der Schweiz einführen will, dann werde ich einen Plan B haben. Ich bin Unternehmer und nicht der Hampelmann des Herstellers.»

David Schweizer (Geschäftsführer P. Schweizer AG, Liestal)

«Natürlich beschäftigen wir uns mit dem Agenturmodell. Wir wissen, dass es das künftige Verkaufsmodell unserer Marke Seat sein wird. Für uns Händler bedeutet dies einerseits eine gewisse Unsicherheit, weil noch unklar ist, wie dieses Modell ausgestaltet wird. Andererseits sehen wir aber auch Chancen und neue Möglichkeiten.

Im echten Agenturmodell werden die Fahrzeuge vom Hersteller bzw. Importeur vorfinanziert. Wenn ich die Masse an Fahrzeugen sehe, die ein Garagist heute verfügbar haben muss, stelle ich fest, dass das für viele Betriebe fast nicht mehr zu finanzieren ist. Wenn diese Last auf den Hersteller oder Importeur übergeht, ist das durchaus positiv. Ich gebe gerne etwas Marge ab und reduziere im Gegenzug mein unternehmerisches Risiko. Klar ist, dass der Hersteller auch in Zukunft ein Händlernetz braucht und der Garagist weiter eine wichtige Rolle darin spielt.

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