Konzerne investieren in die Zukunft
Die Ölbranche auf dem Weg ins Grüne
5. Dezember 2022 agvs-upsa.ch – Die Mineralöl- und Gasriesen wappnen sich für den Wandel weg von fossilen Brennstoffen, bauen Solar- und Windparks, setzen auf E-Fuels – und wie Schweizer Tankstellenbetreiber auf Wasserstoff: Ein Einblick, wie die Branche rund um BP, Shell oder Total und Avia, Coop oder Migros ins Morgen fährt.
Wandel einer Branche am Beispiel Shell: Noch sind Öl und Erdgas wie von der Förderplattform im Golf von Mexiko das Kernbusiness – aber bereits heute setzt Shell etwa auch auf Solarparks wie im Oman oder auf Windkraft etwa in der Nordsee. Fotos: Shell International (l.), Haitham Al Farsi/Shell (o.), Stuart Conway/Shell (u.)
Tpf. Manchmal sagen Zahlen mehr als Worte: Dass Öl- und Gaskonzerne eine Wirtschaftsmacht sind, ist kein Geheimnis. Doch wie gross Mineralölriesen tatsächlich sind, verblüfft dann doch immer wieder: 2021 hat Saudi Aramco rund 105 Milliarden Franken Gewinn geschrieben. Mal zum Vergleich: Wäre der von den 67 000 Mitarbeitenden erwirtschaftete Umsatz von rund 380 Milliarden Franken ein Bruttoinlandsprodukt, läge die saudische Staatsfirma auf dem Niveau der Wirtschaftsleistung von Südafrika – oder der halben Schweiz. Doch entsprechend gross ist natürlich auch der CO2-Fussabdruck: Experten schätzen, dass 4,4 Prozent des globalen CO2-Ausstosses des Energiebereichs alleine von Saudi-Aramco-Produkten stammen.
Genau deshalb kehrt die Politik fossilen Brennstoffen zunehmend den Rücken zu – und die Mineralölkonzerne ihrerseits setzen ergo zunehmend auf alternative Energien, um in die grüne Zukunft zu fahren. Da werden Solar- und Windparks gebaut. Etwa bei Shell: Der niederländisch-britische Konzern, der übrigens den innovativen Bioschmierstoffbereich des Schweizer Familienunternehmens Panolin aus Madetswil ZH übernimmt, will spätestens 2050 ein Netto-Null-Emittent sein. Auch baut Shell in Rotterdam (NL) bis 2025 die grösste Elektrolyseanlage für grünen Wasserstoff in Europa, um bis zu 60 000 Kilo H2 täglich zu produzieren. In der Schweiz fördert Shell beispielsweise ein Waldklimaschutzprojekt der Oberallmeindkorporation Schwyz.
Der französische Konzern Total baut das Elektroautoladeinfrastrukturnetz aus. «Dank der Einnahmen aus Öl- und Gasgeschäft können wir massiv in Ladeinfrastruktur investieren und unsere Transformation beschleunigen», erklärt Total-Marketingchef Alexis Vovk. Bei BP sagte CEO Bernard Looney 2021: «Ich bin überzeugt, dass zum Erreichen der Pariser Klimaziele die Unterstützung von Greening Companies unabdingbar ist – also von Unternehmen, die noch nicht emissionsarm sind, aber sich ernsthaft in diese Richtung bewegen.» Er stimme zudem zu, zur Lösung der Klimafrage müsse man auch «dort ansetzen, wo die Emissionen sind».
Ohne saubere Verbrennungsmotoren wird es tatsächlich kaum gehen, sollen die CO2-Emissionen schnell gesenkt werden. Schliesslich nähert sich der Anteil an Elektroautos bei den weltweiten Neuwagenimmatrikulationen je nach Rechnung der Acht- bis Zehn-Prozent-Grenze, aber noch fahren von den rund 1,4 Milliarden Autos auf der Welt gerade mal 17 Millionen, also aktuell gut 1,2 Prozent und je nach Statistik teils auch mal unter einem Prozent, mit Strom. Es gilt daher, auch bestehende Flotten grüner zu machen – und hier kommt den Ölmultis mit ihrer Infrastruktur, Legionen von Forschern sowie Finanzmacht eine entscheidende Rolle zu. Zudem wollen die Konzerne eben fit werden für die Zeit nach fossilen Brennstoffen und könnten bei synthetischen E-Fuels, schadstoffarmen herkömmlichen Treibstoffen oder grüner Stromerzeugung den Wandel vorantreiben oder die Wasserstoffproduktion und -nutzung ankurbeln. Nicht nur die globalen Ölriesen setzen darauf, auch Schweizer Tankstellenketten. Ein Beispiel ist Avia, eine Vereinigung unabhängiger Mineralölimporteure aus 15 Ländern mit Sitz in Zürich, mit über 500 Tankstellen hierzulande Tankstellenmarktführer. Die Avia-Partnerfirmen wandelten sich «mehr und mehr zu Energiedienstleistern, die den gesamte Wasserstoffökokreislauf anbieten», heisst es bei Avia. Wie Avia waren 2018 etwa Agrola, Coop Mineraloel und die Migros-Tochter Migrol Mitgründer des Vereins H2 Mobilität, der die Schweizer Infrastruktur für Wasserstoff (H2) fördert. Mit Erfolg: Noch vor sechs Jahren gab es nur zwei H2-Tankstellen in der Schweiz (Empa in Dübendorf ZH und, 2016 eröffnet, Coop in Hunzenschwil AG), heute sind es zwölf aktive und zwei vor Eröffnung stehende. Dort tanken beispielsweise 47 Hyundai-Brennstoffzellen-LKW. Parallel setzen etwa Lidl und Migros stark auf CNG-Antriebe mit Biogas im Tank: So fahren bestehende Flotten jetzt schon CO2-neutral, ehe sie in ein, zwei Jahrzehnten dann weitgehend auf Wasserstoff oder auch Strom umschwenken können. Manchmal kommt ein Schwenk zu mehr Nachhaltigkeit auch von Unternehmen der klassischen Öl- und Gasindustrie, die man gar nicht auf dem Radar hatte. Messer Schweiz aus Lenzburg AG – Spross der deutschen Messer Group, einer der grössten Industriegashersteller der Welt – hat gemeinsam mit der EPFL (ETH Lausanne VD) binnen elf Jahren eine Wasserstofftankstelle für daheim respektive für Betriebe entwickelt. Dreht sich Messer da nicht den eigenen Wasserstofflieferantenhahn ab? «Nein», sagt Messer-Schweiz-CEO Hans Kellner, «wir sind seit 1898 im Geschäft, die Tankstellen sind für uns schlicht ein weiteres Standbein.»
Wandel einer Branche am Beispiel Shell: Noch sind Öl und Erdgas wie von der Förderplattform im Golf von Mexiko das Kernbusiness – aber bereits heute setzt Shell etwa auch auf Solarparks wie im Oman oder auf Windkraft etwa in der Nordsee. Fotos: Shell International (l.), Haitham Al Farsi/Shell (o.), Stuart Conway/Shell (u.)
Tpf. Manchmal sagen Zahlen mehr als Worte: Dass Öl- und Gaskonzerne eine Wirtschaftsmacht sind, ist kein Geheimnis. Doch wie gross Mineralölriesen tatsächlich sind, verblüfft dann doch immer wieder: 2021 hat Saudi Aramco rund 105 Milliarden Franken Gewinn geschrieben. Mal zum Vergleich: Wäre der von den 67 000 Mitarbeitenden erwirtschaftete Umsatz von rund 380 Milliarden Franken ein Bruttoinlandsprodukt, läge die saudische Staatsfirma auf dem Niveau der Wirtschaftsleistung von Südafrika – oder der halben Schweiz. Doch entsprechend gross ist natürlich auch der CO2-Fussabdruck: Experten schätzen, dass 4,4 Prozent des globalen CO2-Ausstosses des Energiebereichs alleine von Saudi-Aramco-Produkten stammen.
Genau deshalb kehrt die Politik fossilen Brennstoffen zunehmend den Rücken zu – und die Mineralölkonzerne ihrerseits setzen ergo zunehmend auf alternative Energien, um in die grüne Zukunft zu fahren. Da werden Solar- und Windparks gebaut. Etwa bei Shell: Der niederländisch-britische Konzern, der übrigens den innovativen Bioschmierstoffbereich des Schweizer Familienunternehmens Panolin aus Madetswil ZH übernimmt, will spätestens 2050 ein Netto-Null-Emittent sein. Auch baut Shell in Rotterdam (NL) bis 2025 die grösste Elektrolyseanlage für grünen Wasserstoff in Europa, um bis zu 60 000 Kilo H2 täglich zu produzieren. In der Schweiz fördert Shell beispielsweise ein Waldklimaschutzprojekt der Oberallmeindkorporation Schwyz.
Der französische Konzern Total baut das Elektroautoladeinfrastrukturnetz aus. «Dank der Einnahmen aus Öl- und Gasgeschäft können wir massiv in Ladeinfrastruktur investieren und unsere Transformation beschleunigen», erklärt Total-Marketingchef Alexis Vovk. Bei BP sagte CEO Bernard Looney 2021: «Ich bin überzeugt, dass zum Erreichen der Pariser Klimaziele die Unterstützung von Greening Companies unabdingbar ist – also von Unternehmen, die noch nicht emissionsarm sind, aber sich ernsthaft in diese Richtung bewegen.» Er stimme zudem zu, zur Lösung der Klimafrage müsse man auch «dort ansetzen, wo die Emissionen sind».
Ohne saubere Verbrennungsmotoren wird es tatsächlich kaum gehen, sollen die CO2-Emissionen schnell gesenkt werden. Schliesslich nähert sich der Anteil an Elektroautos bei den weltweiten Neuwagenimmatrikulationen je nach Rechnung der Acht- bis Zehn-Prozent-Grenze, aber noch fahren von den rund 1,4 Milliarden Autos auf der Welt gerade mal 17 Millionen, also aktuell gut 1,2 Prozent und je nach Statistik teils auch mal unter einem Prozent, mit Strom. Es gilt daher, auch bestehende Flotten grüner zu machen – und hier kommt den Ölmultis mit ihrer Infrastruktur, Legionen von Forschern sowie Finanzmacht eine entscheidende Rolle zu. Zudem wollen die Konzerne eben fit werden für die Zeit nach fossilen Brennstoffen und könnten bei synthetischen E-Fuels, schadstoffarmen herkömmlichen Treibstoffen oder grüner Stromerzeugung den Wandel vorantreiben oder die Wasserstoffproduktion und -nutzung ankurbeln. Nicht nur die globalen Ölriesen setzen darauf, auch Schweizer Tankstellenketten. Ein Beispiel ist Avia, eine Vereinigung unabhängiger Mineralölimporteure aus 15 Ländern mit Sitz in Zürich, mit über 500 Tankstellen hierzulande Tankstellenmarktführer. Die Avia-Partnerfirmen wandelten sich «mehr und mehr zu Energiedienstleistern, die den gesamte Wasserstoffökokreislauf anbieten», heisst es bei Avia. Wie Avia waren 2018 etwa Agrola, Coop Mineraloel und die Migros-Tochter Migrol Mitgründer des Vereins H2 Mobilität, der die Schweizer Infrastruktur für Wasserstoff (H2) fördert. Mit Erfolg: Noch vor sechs Jahren gab es nur zwei H2-Tankstellen in der Schweiz (Empa in Dübendorf ZH und, 2016 eröffnet, Coop in Hunzenschwil AG), heute sind es zwölf aktive und zwei vor Eröffnung stehende. Dort tanken beispielsweise 47 Hyundai-Brennstoffzellen-LKW. Parallel setzen etwa Lidl und Migros stark auf CNG-Antriebe mit Biogas im Tank: So fahren bestehende Flotten jetzt schon CO2-neutral, ehe sie in ein, zwei Jahrzehnten dann weitgehend auf Wasserstoff oder auch Strom umschwenken können. Manchmal kommt ein Schwenk zu mehr Nachhaltigkeit auch von Unternehmen der klassischen Öl- und Gasindustrie, die man gar nicht auf dem Radar hatte. Messer Schweiz aus Lenzburg AG – Spross der deutschen Messer Group, einer der grössten Industriegashersteller der Welt – hat gemeinsam mit der EPFL (ETH Lausanne VD) binnen elf Jahren eine Wasserstofftankstelle für daheim respektive für Betriebe entwickelt. Dreht sich Messer da nicht den eigenen Wasserstofflieferantenhahn ab? «Nein», sagt Messer-Schweiz-CEO Hans Kellner, «wir sind seit 1898 im Geschäft, die Tankstellen sind für uns schlicht ein weiteres Standbein.»
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